Die Wahl von Donald Trump zum 47. Präsidenten der USA hat am Kapitalmarkt erste Spuren hinterlassen. Union Investment erwartet, dass das positive Momentum für Risikoanlagen vorerst anhält, die Unsicherheiten aber hoch sind. Dies kann die Volatilität am Markt erhöhen.
Der Republikaner Donald Trump, der bereits zwischen 2016 und 2020 US-Präsident war, hat nicht nur einen deutlichen Wahlsieg davongetragen, seine Partei wird auch eine deutliche Mehrheit im Senat haben und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch die Mehrheit im Repräsentantenhaus erreichen. Damit könnte Trump „durchregieren“. Die Experten von Union Investment haben daher ihre Konjunkturprognosen angepasst.
Welche wesentlichen Änderungen ergeben sich gegenüber dem „Status quo“? Grundsätzlich dürften Risikoanlagen wie US-Aktien vorerst von der Aussicht auf Steuersenkungen und der Einführung von Importzöllen für ausländische Produkte profitieren, sofern es sich nicht um Unternehmen handelt, die auf Importe angewiesen sind. Einige Sektoren wie der Finanz- oder Energiesektor können von einer Deregulierung oder laxerer Anwendung von Regulierung oder Umweltvorgaben profitieren. Da Steuersenkungen zu weniger Einnahmen führen, dürfte sich perspektivisch das Fiskaldefizit der USA schneller als bisher ausweiten. Dies steht aber unter dem Vorbehalt einer republikanischen Mehrheit in beiden Häusern des US-Kongresses.
Zu den kurzfristig wahrscheinlichen Maßnahmen der neuen Regierung könnte außer der Einführung neuer Zölle – und der Gefahr von Vergeltungsmaßnahmen durch Handelspartner – eine Verschärfung der Migrationspolitik zählen. Die Volkswirte von Union Investment erwarten daraus zumindest im Laufe des kommenden Jahres einen Dämpfer für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der USA, verbunden mit einem Anstieg der Inflation. In ihrem Basisszenario sind statt 2,0 Prozent BIP-Wachstum nur noch 1,7 Prozent für 2025 prognostiziert, und im Jahr 2026 dürfte insgesamt noch ein Plus von 1,4 Prozent resultieren, was klar unter dem Trendwachstum liegt. Die Teuerung dürfte in der Gesamtraten für 2025 auf 2,5 statt 2,4 Prozent steigen und 2026 sogar auf 3,0 Prozent. Hier spiegelt sich der erwartete preistreibende Einfluss der Ausweisung von Migranten, die im Arbeitsmarkt tätig sind, sowie eine preiserhöhende Wirkung neuer Zölle. Unklar ist, ob die Zölle gestaffelt eingeführt werden. An sich sollten sie auf die Inflationsentwicklung nur einen Einmaleffekt haben, eine gestaffelte Einführung würden den preistreibenden Effekt aber zeitlich verlängern. Aufgrund der restriktiven Einwanderungspolitik und dem zu erwartenden engeren Arbeitsmarkt ist auch ein längerfristig erhöhter Lohndruck möglich.
Lockerere Geldpolitik in Sicht
Bei der US-Geldpolitik erwarten die Experten von Union Investment nach der Senkung der Leitzinsen um 25 Basispunkte (BP) am 7. November eine fortgesetzte Rekalibrierung durch die Federal Reserve spätestens bis zum zweiten Quartal 2025 mit drei weiteren Senkungsschritten um jeweils 25 BP auf 3,75 bis 4,0 Prozent. Danach dürfte die Fed angesichts der hohen Unsicherheit, die mit der Trump’schen Wirtschaftspolitik verbunden ist, auf Sicht fahren. Auch mit Blick auf die europäische Konjunkturzahlen ergibt sich Anpassungsbedarf. Die Einführung von Zöllen wird insbesondere die exportlastige deutsche Wirtschaft treffen, weshalb unsere Experten dort von einem mageren Wachstum von jeweils nur noch 0,2 Prozent in den Jahren 2025 und 2026 ausgehen. Damit setzt sich die seit 2022 bestehende Stagnationsphase der deutschen Wirtschaft praktisch fort. Der preistreibende Effekt neuer Handelsbeschränkungen dürfte durch eine schwächere Konjunkturentwicklung gemindert werden. Daher erwarten unsere Experten, dass die Europäische Zentralbank (EZB) noch zwei zusätzliche Zinssenkungen im Jahr 2025 vornehmen dürfte, bis ein Landeniveau von 1,75 Prozent beim Einlagensatz erreicht ist.
Unterschiedliche Reaktionen je Assetklasse
Auch wenn Trump mehr als noch in seiner ersten Amtszeit für eine sprunghafte Regierungsführung stehen dürfte, da ihm ein parteiinternes Korrektiv fehlt, ist kurzfristig Unsicherheit gewichen. Zumindest gibt es in der Nachwahlphase keine lange Hängepartie. Bis zum 11. Dezember dürften die Wahlergebnisse in den Bundesstaaten zertifiziert werden, und Trump kann dann am 20. Januar 2025 den demokratischen Amtsinhaber Joe Biden ablösen. Unmittelbar nach dem Wahlsieg legte der marktbreite US-Aktienindex S&P 500 auf ein Rekordhoch zu, während der Dollar-Index, der den Wechselkurs den Greenback gegenüber einer Reihe Industrieländerwährungen spiegelt, um rund 1,7 Prozent stieg. Gegenüber der Gemeinschaftswährung wertete der US-Dollar zeitweise sogar rund 2,3 Prozent auf. Dies vor dem Hintergrund eines leichten Anstiegs der US-Staatsanleiherenditen, wobei sich die US-Zinsstrukturkurve leicht versteilerte. Europäische Aktien etablierten zunächst keinen klaren Trend.
USA: Zwischen möglichen Steuersenkungen und höherem Staatsdefizit
Insgesamt blieben die Auswirkungen an den Kapitalmärkten nach dem Trump-Wahlsieg bisher überschaubar. In Einzeltiteln spielten sich deutlich stärkere Ausschläge ab. In den USA gerieten Aktien aus dem Bereich Basiskonsum, Erneuerbare Energie und Gesundheit unter Druck, während ausgewählte Industriewerte (Stahl), IT- und Bankaktien und Krankenversicherer kräftig zulegten. In Europa standen tendenziell exportabhängige Unternehmen wie Autobauer unter Druck. Auf der positiven Seite verlieh die Hoffnung auf Steuersenkungen, Deregulierung und damit höhere Gewinne Auftrieb. Andererseits belastete der mögliche Wegfall staatlicher Förderung (etwa im Bereich Renewables), negative Auswirkungen aus einer restriktiven Migrationspolitik oder Belastungen aus neuen Importzöllen. Da Trump seine Agenda „America First“ voraussichtlich weitgehend ohne nennenswerte Widerstände durchsetzen kann, gelingt deren Umsetzung mit höherer Wahrscheinlichkeit. Der Markt sollte insofern seine positive Grundstimmung für Risikoanlagen – insbesondere in den USA – noch etwas beibehalten können. Doch die Unsicherheit über die genaue Ausgestaltung von womöglich einschneidenden Änderungen in der Wirtschafts- und Handelspolitik sowie anhaltende geopolitische Spannungen dürften für eine erhöhte Volatilität am Kapitalmarkt sorgen.
Auf der Rentenseite erwarten die Experten von Union Investment eine weitere Versteilerung der Zinsstrukturkurve aufgrund von Leitzinssenkungen sowie höheren Risikoaufschlägen am langen Ende wegen steigender Fiskaldefizite. Je nach konkreter Umsetzung der Trump’schen Pläne könnte sich der Ausblick für langlaufende Staatspapiere verschlechtern. Die prognostische Streubreite, in welchem Umfang dies geschehen könnte, ist aktuell noch sehr groß. Generell bevorzugen unsere Experten daher Unternehmensanleihen guter bis sehr guter Bonität gegenüber Staatsanleihen und inflationsindexierte Anleihen gegenüber Nominalanleihen.
Stand aller Informationen, Erläuterungen und Darstellungen: 11. November 2024, soweit nicht anders angegeben.