Verschuldungsrisiken

DAX-Konzerne sitzen in der Zinsfalle

iStock, ictoria Gnatiuk

Nach einer aktuellen Berechnung des Handelsblatt Research Institute sind viele DAX-Konzerne hochverschuldet und sitzen in der Zinsfalle. Es ist ein schmaler Grat, mit dem optimalen Verschuldungsgrad zu spielen, um die Renditen nach oben zu treiben. Der Mittelstand ist da deutlicher vorsichtiger und betreibt eher eine risikoaverse Bilanzpolitik. Ausnahmen gibt es meist dann, wenn ein Mittelständler von einer Private Equity-Gesellschaft übernommen wird. Dann fließen kreditfinanzierte Gelder zum Investor, auch um den Kaufpreis zu finanzieren und das Kaufobjekt zu melken. Doch auch in gebeutelten Branchen gibt es das Schuldenproblem im Mittelstand. ZF Friedrichshafen, weltweit der zweitgrößte Automobilzulieferer, ist so ein Negativbeispiel. 

Konzernverschuldung

Die Gesamtverschuldung der DAX-Konzerne liegt nach dem 1. Halbjahr 2024 bei knapp einer Billion Euro. Davon sind 561 Mrd. Euro über Anleihen, der Rest über Bankkredite finanziert. Mit dem Geld wurden nicht nur Werte geschaffen, sondern auch Aktienrückkäufe getätigt, was wiederum die Börsenkurse treibt und Vorstandstantiemen sichert. Bei einigen Konzernen wie Vonovia, Telekom, Bayer und Eon übersteigt die Nettoverschuldung (Verschuldung - Barbestände) das Eigenkapital.

Fast 100 Mrd. Euro der Konzernschulden werden bis Ende 2025 fällig, weitere 96 Mrd. Euro bis Ende 2026. Da eine Rückzahlung aus Eigenmitteln meist nicht möglich ist, erfolgt eine Tilgung häufig durch neue Kredite. Doch das wird zu einer höheren Zinsbelastungbelastung führen, weil alte Kredite in der Nullzinsphase abgeschlossen wurden. Zusammen mit der aktuellen Wirtschaftskrise entsteht daraus ein explosives Gemisch.

Leverage-Effekt

Die Lage ist vor allem so brisant, weil viele DAX-Unternehmen mit Ausnahmen wie Beiersdorf und Henkel die Verschuldung überreizen. Denn Unternehmen können ihre Eigenkapitalrentabilität bis zu einem gewissen Grad durch eine höhere Verschuldung steigern.

Diese Hebelwirkung wird in der Betriebswirtschaftslehre als „Leverage-Effekt“ bezeichnet. Er tritt immer dann ein, wenn Fremdkapital zu günstigeren Zinssätzen aufgenommen werden kann als eine Investition, ein Geschäftsbereich oder das gesamte Unternehmen als Gesamtkapitalrentabilität erzielt. Die Formel dazu lautet:

Eigenkapitalrendite = Gesamtkapitalrendite + (Gesamtkapitalrendite – Fremdkapitalzinssatz) * (Fremdkapital / Eigenkapital)

Beispiel

Bei 100.000 Euro Eigenkapital, 50.000 Euro Fremdkapital, 10 % Gesamtkapitalrentabilität und einem Kreditzinssatz von 5 % beträgt die Eigenkapitalrentabilität 12,5 % (10 % + 5 * 0,5).

Erhöht sich nun das Fremdkapital durch Kreditaufnahme um 50.000 Euro auf 100.000 Euro, dann steigt bei unterstellt unveränderter Gesamtkapitalrentabilität von 10% die Eigenkapitalrentabilität auf 15% (10 % + 5 * 1).

Trotz des Zinsanstiegs in den vergangenen Monaten sind die Bedingungen im historischen Vergleich immer noch gut, durch eine höhere Verschuldung die Eigenkapitalrendite zu erhöhen. Hinzu kommt noch die Möglichkeit, Zinsen für Unternehmenskredite als Betriebsausgaben abzusetzen.

Wenn die Fremdkapitalzinsen steigen oder die Gesamtkapitalrentabilität durch eine negative Geschäftsentwicklung sinkt, kann sich die Hebelwirkung jedoch auch ins Negative kehren. Daher ist nicht nur in der aktuellen Krisenzeit eine hohe Eigenkapitalquote für den Mittelstand wichtig, um Risiken finanziell abzusichern, notwendige Investitionen zu finanzieren und mögliche Geschäftsrückgänge zu überbrücken. Eine zu hohe Eigenkapitalquote kann jedoch auch die Eigenkapitalrentabilität der Gesellschafter und Inhaber schmälern. Es kommt daher auf den optimalen Verschuldungsgrad an, der je nach Unternehmen und Branche unterschiedlich ist.

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