Für Restrukturierungen und Insolvenzen gibt es strategische und operative Ursachen. In diesem Beitrag geht es um strategische Managementfehler, die bei den aktuell steigenden Unternehmensinsolvenzen wieder zahlreich zu beobachten sind.
Empirische Befunde
„Praktisch alle Krisen sind hausgemacht“, so drückte es Management-Professor Gilbert Probst bereits 2004 in einem Interview aus. Er analysierte damals an der Universität Genf die 100 größten Krisenunternehmen mit Insolvenzen und Restrukturierungsbedarf. Seine Ergebnisse mit zwei entgegengesetzten Krisensyndromen sind auch heute noch als Denkmodell anwendbar.
- Burn-out-Syndrom: Unternehmen dieser Sorte sind in die Krise geraten, weil ein zumeist selbstherrliches Management auf ein exzessives Wachstum mit vielen Unternehmensübernahmen gesetzt, das Unternehmen permanent umgebaut und einen Zwang zur Erfolgskultur verordnet hat. Solche Unternehmen laufen auf Hochtouren bis zum Burn-out.
- Premature-Aging-Syndrom: Im Gegensatz zu den Ausgebrannten stehen Unternehmen, die vorschnell altern, stagnieren und sich nicht mehr agil genug bewegen. Einstmals erfolgreiche Unternehmen ruhen sich auf ihren Lorbeeren aus, scheuen Risiken und verschlafen die Zukunft. Sie sind häufig Opfer von disruptiven Angriffen im digitalen Zeitalter oder politisch einschneidenden Eingriffen, die ganze Branchen auf den Kopf stellen können, wie z. B. aktuell in der Autoindustrie und im Markt für Heizungen und Wärmepumpen zu beobachten.
Praktische Beispiele
- Signa-Holding: Die spektakuläre Pleite der Signa-Holding von René Benko hat vor allem die Immobilienbranche erschüttert. Das seit 2000 aufgebaute Firmenimperium des früheren österreichischen Vorzeigeunternehmers war beachtlich. In der langen, von der EZB ermöglichten Phase der Niedrigzinsen konnten Immobilienprojekte für „preiswertes Geld“ aggressiv entwickelt werden. Hinzu kam, dass Signa die Immobilienwerte und damit die dafür verauslagten Kredite mit krimineller Energie zu hoch angesetzt hat Mit dem Zinsanstieg seit 2022 geriet das hochriskante Spiel außer Kontrolle. Die Blase platzte. Das Kartenhaus fiel in sich zusammen.
- Recaro: Anders gelagert ist die jüngste Pleite der Recaro Automotive GmbH. Sie ist ein Beispiel für das oben beschriebene Premature-Aging-Syndrom. Der Hersteller von sportlichen Autositzen – auch bekannt durch die Trainersitze in den Fußballstadien – ist Opfer der politisch verursachten Automobilkrise. Wegfallende Groß- und Serviceaufträge der Autohersteller, Preissteigerungen und damit verbundene Wettbewerbsnachteile gegenüber chinesischen Konkurrenten sowie ein zu spätes Agieren sind für die Krise verantwortlich. Der Umsatz der Recaro Automotive GmbH, die zur Gruppe des US-Finanzinvestors Raven gehört, ist 2023 folglich von einstmals 45 auf unter 40 Mio. Euro gesunken. Der Verlust nach Steuern betrug 2022 bedrohliche 8,2 Mio. Euro.
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